Balance in der Fotografie finden
Balance ist natürlich ein eher weit gefasster Begriff. Er könnte meinen, dass man endlich das richtige Maß an Schlaf, Arbeit und Freizeit gefunden hat (bitte Bescheid geben, falls dem so ist!) oder dass man einfach gut auf der Slackline aussieht. In diesem Beitrag soll es aber in erster Linie darum gehen, wie man mit dem schlauen Platzieren von Bildelementen ein Foto erschafft, welches in sich ausgeglichen sind.
Zuallererst, was sind Bildelemente?
Bildelemente sind Teil der Komposition eines Bildes und werden von jedem
Fotografen anders interpretiert. Ich unterscheide zwischen Formen und führenden Linien, die durch
- Strukturen
- Helligkeitsunterschiede und
- Farbkontrasten
verursacht werden.
Bildelemente bauen das finale Bild auf und lassen das Bild „sprechen“. Ähnlich wie beispielsweise die Regel des goldenen Schnittes ist der Gedanke der Balance allumfassend und lässt sich auf jedes Bild anwenden. Das gute an der Sache ist, dass dieses Konzept einem bereits in der Natur (oder überall sonst) enorm hilft, sich mehr Gedanken über die Geschichte des Bildes machen zu können. Alles, was man hierfür braucht, ist sich dieser Elemente bewusst zu sein.
Um ein balanciertes Bild zu erreichen, ist die Verteilung der Bildelemente von entscheidender Bedeutung. Nehmen wir uns zum Beispiel die folgenden Fotos des Mount Everest vor.
Die schroffe Berglandschaft setzt im linken Bild mit ihren markanten Strukturen den Fokus klar auf die untere Hälfte des Bildes. Wenn es dir aber so geht wie mir, dann wird einem beim längeren Betrachten leicht unwohl. Das liegt daran, da das Auge versucht einen Ausgleich im Himmel zu finden. Diesen bekommt es aber nicht, da praktisch nichts interessantes oder führendes in der oberen Bildhälfte zu finden ist. Außerdem ist es leider so, dass von meinem Aussichtspunkt der näher gelegene Nuptse mit seinen (nur) 7861 m deutlich größer als der Everest erscheint und so wird das Bild auch nach links hin unbalanciert.
Für das rechte Bild habe ich einige Stunden darauf gewartet, damit die Milchstraße im richtigen Winkel erscheint. Dieses neue Element nimmt die Funktion einer führenden Linie durch Helligkeitsunterschiede (blau) an und führt das Auge wieder zurück zum Everest. Zudem wirkt die Milchstraße durch ihre Platzierung im linken Bildbereich dem markanten Nuptse entgegen.
Nicht geplant aber willkommen waren auch noch die lila Wolken als Farbkontraste (orange), die vom oberen rechten Bildrand wie ein Pfeil zur Mitte zeigen.
Mit dem gleichen Prinzip aufgenommen ist das folgende Foto eines zugefrorenen Wasserfalls in einer eisigen Landschaft. Farbkontraste sucht man hier vergeblich aber dafür kann man an diesem Bild gut den „Kampf“ zwischen hellen Bereichen und Strukturelementen betrachten.
Die hellen Bereiche des fließenden Wassers dienen als Blickfang und die Fließrichtung erzeugt eine Linie, die nach oben links diagonal ins Bild hineinführt..
Dort liegen als Gegengewichte die strukturell auffällige Eisplatte und der massive Berg. Beide bilden wiederum Linien aus, die das Auge wieder nach rechts ins Bild bewegen, wo das Auge dann letztendlich auf dem Ruhepunkt und dem Hauptobjekt des Bildes hängenbleibt.
Ohne den zugefrorenen Wasserfall und den hellen Schimmer darüber würde das Bild, so wie es ist, nicht funktionieren.
Die Theorie ist ja schön und gut aber wie schafft man es bereits hinter der Kamera zu erkennen, ob man ein balanciertes Bild auf die Speicherkarte gebannt hat? Die Antwort ist Zeit.
Schau dir das Foto einfach länger im Sucher oder auf dem Monitor an und stell dir die Fragen, wie deine Augen durch das Bild wandern und ob es sich natürlich anfühlt. Am wichtigsten ist es aber, wo deine Augen letztendlich stehen bleiben und ruhen? Ist das der Punkt, auf den du den Fokus in deinem Bild legen möchtest? Ist dort die Geschichte des Bildes zu Ende erzählt?
Wenn du diese Fragen mit ja beantworten kannst, stehen die Chancen gut, dass du dir das Bild auch nach einer langen Zeit noch gerne anschaust.
Besten Gruß
Jacob
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